Interview mit...
...Thomas Ays
...zur
Buchkritik "Romeo und Julian"
"In wen man sich verliebt, ist letztlich egal – Hauptsache man ist glücklich."
Mit Booksection im Gespräch: Thomas Ays.
Booksection: „Romeo und Julian“ ist dein erster
Roman. War die Lust zu schreiben schon immer da oder kam das ganz plötzlich?
Thomas Ays: Ich schreibe seit vielen Jahren Filmkritiken und
ich glaube, dass das auf eine seltsame Art und Weise die Vorbereitung darauf
war. Das Schreiben von Filmkritiken oder Starbiografien war eine gute Vorbereitung
darauf, eine eigene Geschichte zu erzählen. Dennoch war es natürlich
etwas anderes, eine solch lange Geschichte zu schreiben. Den Wunsch einmal ein
Buch zu schreiben, hatte ich eigentlich nicht. Ich würde mich auch nicht
Autor nennen.
Booksection: Als dir der Gedanke ein Buch zu schreiben zum
ersten Mal in den Sinn kam, war da gleich die Geschichte zu „Romeo und
Julian“ da?
Thomas Ays: Es war genau anders herum. Ich habe das Ende der
Geschichte geträumt, dadurch resultierte das Ergebnis die Geschichte zu
schreiben. Mich hat daran gereizt, mir die Geschichte zu diesem Ende auszudenken.
Das war sehr spannend. Wer ist dieser Julian und was genau muss er tun, damit
es zu einem solchen Ende kommt? Die Idee mit dem Schreiben anzufangen war sehr
spontan und ich wusste auch nicht, ob es überhaupt funktioniert.
Booksection: Ist es dir leicht gefallen, die Geschichte, die
in deinem Kopf entstanden ist, auch schriftlich umzusetzen?
Thomas Ays: Zeitweise war es ganz einfach. Vor allem an Tagen,
an denen ich ganz genau wusste, was nun passieren muss, damit die Geschichte
weitererzählt werden kann. Dann gab es aber auch schwierige Tage, an denen
ich zweifelte, mir schwierige Fragen zu Verlauf und Spannung stellte und nicht
genau wusste wie die Geschichte weitergehen soll. Wenn man in solchen Situationen
dann einfach irgendetwas schreibt, wird es hinterher umso schwieriger. Im Grunde
ist mir „Romeo und Julian“ als Ganzes gesehen jedoch relativ einfach
gefallen, was aber auch daran lag, dass meine Freundin Stefanie Rufle mich immer
wieder bestärkt hat und mit mir immer und immer wieder die Geschichte durchging.
Booksection: Bei der ersten langen Geschichte: Plagen einen
an diesen schwierigen Tagen auch mal Selbstzweifel?
Thomas Ays: Permanent! Vom Schreiben des ersten Wortes, bis
zur Beendigung des Buches, bis hin zur Veröffentlichung, bis hin zum ersten
Leser. Ich hatte permanent Selbstzweifel, da ich nie genau wusste, ob das überhaupt
jemand gut findet. Das war immer sehr spannend. Aber so schlecht scheint es
ja doch nicht so zu sein. (lacht)
Booksection: Da ist die Freude über eine Veröffentlichung
doch bestimmt umso größer…
Thomas Ays: Das war schon eine Überraschung. Zumal der
Verlag sie so nahm, wie ich sie eingereicht habe - obwohl der Verleger meinte,
dass die Geschichte zu wenig Sex hat. Trotzdem gab es keine Veränderungen.
Das hat mich enorm gefreut.
Booksection: Mehr Sex in deine Geschichte reinzubringen kam
für dich also nicht in Frage?
Thomas Ays: Nein, weil ich finde, dass es eine schüchterne,
harmlose und unschuldige Geschichte ist. Nur weil jemand schwul ist, heißt
das ja noch lange nicht, dass er permanent auch ‚durch die Gegend vögelt’.
Es gibt ja doch noch Homosexuelle, die in der Lage sind sich zu verlieben und
ein ganz normales Leben haben – ohne Peitschensessions, ohne Leder- und
Lackoutfits, ohne Darkrooms. Die Leute gibt es definitiv und genau so ein Typ
ist eben auch Julian. Er verliebt sich einfach nur und dann muss es nicht zwangläufig
auch um Sex gehen.
Booksection: Glaubst du, dass bei schwulen Geschichten der
Fokus mehr auf Sex liegt, als bei Geschichten über Heterosexuelle?
Thomas Ays: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so richtig,
weil ich noch nie eine schwule Geschichte gelesen habe und es auch weiterhin
nicht vorhabe. Ich glaube aber schon, dass es ein zentrales Thema ist. Da muss
man sich ja nur die Cover anschauen und die Titel lesen. Es scheint durchaus
gewisse Tendenzen zu geben: Wer mit wem, und was muss getan werden, damit diverse
sexuelle Fantasien Realität werden. Vielleicht tue ich den Geschichten
damit aber auch unrecht. Schlussendlich weiß ich es nicht. Bei Filmen
dieses Genres geht es eben sehr häufig darum. Natürlich dreht es sich
auch bei heterosexuellen Filmen ständig um Sex. Nichtsdestotrotz finde
ich, dass schwule Geschichten meistens gleichbedeutend mit Sex sind. Das ist
extrem schade. Meine Geschichte setzt mehr auf Romantik und Coming-Out, anstatt
auf Sex.
Booksection: Coming-Out ist ein gutes Stichwort. Du behandelst
in „Romeo und Julian“ die sehr frühe Phase des ‚Schwulseins’.
Warum setzt du gerade am Anfang an?
Thomas Ays: Ich weiß nicht, ob das heute immer noch so
ist. Für mich ist das aber die bezeichnendste Phase eines Homosexuellen.
Man muss erkennen, dass man schwul ist und dann herausfinden, was man daraus
macht. Man muss verstehen, was in und mit einem los ist und was alles nötig
ist, um sich normal zu fühlen. Ich habe mit Julian eine Figur gezeichnet,
die sehr zerrissen ist und überhaupt nicht weiß, wo sie überhaupt
hingehört. Es sollte dennoch so lustig wie nur möglich werden. Das
ganze Thema ist ja ohnehin schon sehr ernst und ich finde, dass es dann nicht
noch ernster sein muss, als unbedingt notwenig. Dieses Alter, Anfang 20, ist
ein prägendes Alter, weil man da schon ungefähr weiß, wo man
hingehört. Julian weiß das aber nicht. Außer, dass er ein Filmfreak
ist, weiß er im Grunde nichts über sich.
Booksection: Glaubst du, dass dadurch deine Zielgruppe eingeschränkt
ist – in etwa auf Jugendliche, die sich gerade in einer Coming-Out-Phase
befinden?
Thomas Ays: Klar sollten es diejenigen lesen, die es betrifft.
Die Homosexuellen, die die Geschichte lesen, haben das Meiste vermutlich aber
schon hinter sich. Daher würde ich „Romeo und Julian“ auch
nicht als Ratgeber bezeichnen. Im Grunde wäre jeder Schwule ja gerne wie
Julian. Zumindest geht es mir so. Er ist mutig und kompromisslos – irgendwie
ein Vorbild.
Im Grunde habe ich das Buch aber für Mütter geschrieben. Die Mütter,
noch mehr als die Väter, sollten dieses Buch lesen, um ihre Söhne
vielleicht besser zu verstehen. Sie sollen begreifen, dass es nichts Schlimmes
ist, einen schwulen Sohn zu haben. Ich hatte auch mal eine Bekannte, die zu
mir gesagt hat, dass sie glaubt, dass ihr Sohn schwul wird – wobei ja
schon die Bezeichnung ‚schwul werden’ etwas seltsam ist. Diese Frau
hat ihrem Sohn dann geraten, es doch erst mal mit Frauen zu probieren. Das ist
wirklich bedenklich und meiner Meinung nach genau der falsche Ansatzpunkt. Im
Grunde ist das so, wie wenn man zu seinem heterosexuellen Sohn sagt, dass er
es doch erst mal mit Männern probieren soll – nur um sich ganz sicher
zu sein, dass er auch wirklich auf Frauen steht. Das ist absurd! Probieren müssen,
sollte man es nicht. Man weiß nämlich meistens schon sehr früh,
was man anziehend findet – und was nicht!
Booksection: Glaubst du, dass du auch über die Szene
hinaus Leute mit deinem Buch erreichen wirst?
Thomas Ays: Ich hoffe es. Für mich ist es noch spannender
zu erfahren, wie ein heterosexueller Zwanzigjähriger auf diese Geschichte
reagiert. Ob der ehrlich seine Meinung sagt, ist natürlich die Frage. Ich
glaube aber, dass man mit solchen Nischenbüchern nicht wirklich über
die Grenzen hinaus kommt. Es sei denn man heißt John Grisham und schreibt
einen schwulen Anwaltsthriller.
Booksection: Es ist ja durchaus schade, dass das so ist. Homosexuelle
bilden noch immer eine Randgruppe in der Gesellschaft. Man spricht auch gerne
noch von ‚nicht normal’ oder eben einfach vom ‚Anderssein’…
Thomas Ays: Ich finde es gut, Bücher über Schwule
zu schreiben, die einfach ganz normal sind. Bücher wie „Romeo und
Julian“ sollten keine Nische bilden, sondern etwas ganz Alltägliches
sein. Genauso, wie Schwule Geschichten über Heterosexuelle lesen, könnte
das doch auch umgekehrt funktionieren. Es ist furchtbar, wenn man Leute aufgrund
ihrer Sexualität verurteilt. Das machen Schwule ja auch nicht oder sie
tun es nur, weil sie selbst von Heteros verurteilt werden - das ist ein bisschen
ein Teufelskreis. Ich finde aber, dass es egal ist, wen man liebt. Das soll
auch die Message des Buches sein: In wen man sich verliebt, ist letztlich egal
– Hauptsache man ist glücklich.
Booksection: Könntest du dir auch vorstellen, Bücher
für ein anderes Genre, für eine andere Gesellschafsgruppe zu schreiben?
Thomas Ays: Nein, das würde ich mir glaube ich nicht zutrauen.
Ich habe die Erfahrungen für die anderen Geschichten nicht. Ich glaube,
da gibt es genug andere, die das viel besser können als ich.
Booksection: Fallen dir die schwulen Geschichten leichter,
weil sie auch biografische Parallelen zu deinem eigenen Leben aufweisen?
Thomas Ays: „Romeo und Julian“ hat keine biografischen
Parallelen – außer vielleicht, dass Julian schwul ist und Filme
liebt. Er denkt aber Dinge, die ich zum Beispiel niemals denken würde.
Ich bin definitiv nicht Julian. Ich wäre gerne so gewesen in diesem Alter,
aber es war nicht so. Julian macht sehr schlechte Erfahrungen, weil er vielen
Leuten in seinem Leben begegnet, die damit nicht umgehen können. Diese
Erfahrungen hab ich nicht gemacht. Ich kenne niemanden, der zu mir gesagt hat,
dass er mit meiner Sexualität nichts anfangen kann und mich abartig findet.
Aber ich glaube, dass es durchaus Leute gibt, denen das passiert. Allein diese
Vorstellung finde ich schrecklich – wie zum Beispiel von der eigenen Mutter
abgelehnt zu werden. Meine Familie hat sehr gut reagiert. Biografische Parallelen
gibt es kaum.
Booksection: Was hat dich dazu inspiriert, Shakespeare eine
größere Rolle in deinem Buch spielen zu lassen?
Thomas Ays: Ich habe von dem Shakespearetheater geträumt
und finde alles mit diesem ihm hat eine romantische Bedeutung. Ein Fan von Shakespeare
ist doch jeder auf irgendeine Weise. Ich habe jedoch, außer auszugsweise
zur Recherche, noch nie ein Buch von ihm gelesen – auch „Romeo und
Julia“ nicht. Ich kenne nur die Filme. Shakespeare hat einfach gepasst.
Schlussendlich ist genau das auch das Wichtigste an der Geschichte: es hat einfach
alles gepasst, nichts war gewollt oder wurde passend gemacht.
Booksection: Was kommt als nächstes?
Thomas Ays: Ich schreibe gerade an einer zweiten Geschichte,
die etwas größer und komplexer werden soll. Ich kann noch nicht sagen,
wann oder ob sie je fertig werden wird.
Das Interview wurde am 15.02.2010 durch Kathrin Lang geführt. Veröffentlicht und freigegeben vom Autor am 01.03.2010