Interview mit...
...Maggie Stiefvater
Jugendbuchautorin
Maggie Stiefvater
"Ich wollte immer Autorin sein."
Mit Booksection im Gespräch: Jugendbuch-Autorin Maggie Stiefvater über "Nach dem Sommer".
Booksection.de: Sie hatten ja schon verschiedenen Jobs, beispielsweise
als Bedienung. Jetzt sind Sie Autorin – genießen Sie das?
Maggie Stiefvater: Ich wollte immer Autorin sein. Ich erinnere
mich, dass ich schon als ich klein war, angefangen hatte Geschichten zu tippen
und mein Vater kam herein und fragte mich: „Maggie, was willst du werden,
wenn du mal groß bist?“ Und ich sagte: „Ich will eine Schriftstellerin
werden“, worauf er antwortete: „Aha, du willst also arm sein!“
Diese Geschichte hasst er jetzt (lacht). Wirklich, ich wollte immer Autorin
werden, auch als ich als Bedienung gearbeitet habe oder Kalligraphie unterrichtet
oder Hunde trainiert habe, habe ich die ganze Zeit auch geschrieben und hoffte,
dass ich eines Tages davon leben könnte.
Booksection.de: Sie spielen auch Instrumente und malen Bilder.
Das sind drei unterschiedliche Arbeitsfelder. Gibt es etwas, was diese Bereiche
zusammenbringt?
Maggie Stiefvater: Ich denke, das ist alles eine Art von Geschichtenerzählen.
Es gibt eine Geschichte mit einem Elefanten: Sieben blinde Menschen stehen um
das Tier herum und können es nur ertasten. Der eine sagt: „Das ist
ein Löwe, das sagt mir der Schwanz“ und der andere meint es wäre
ein Baum, weil er die Beine abtastet und so weiter. Jeder meint, es wäre
etwas anderes, aber alle haben dasselbe Tier beschrieben. Ich finde, Musik,
Kunst und Schreiben beschreiben alle diesen Elefanten, nur von einer anderen
Seite. Bei meinem jetzigen Buch, was nach der Trilogie kommt, war es so, dass
ich die Handlung wie einen Film in meinem Kopf hatte und manchmal war es so
frustrierend, diese Bilder in Worte zu transformieren. Es wäre sicherlich
einfacher gewesen, das zu malen, aber es sollte nun mal ein Buch werden.
Booksection.de: Und die Musik?
Maggie Stiefvater: Ja, die half mir dabei. Letztes Jahr hatten
wir die Wahl, entweder ein Haus oder ein Klavier zu kaufen …. Wir haben
nun einen wunderbaren Steinway zu Hause (lacht). Und als ich dann also beim
Schreiben hängen blieb, ging ich in den anderen Raum und spielte Klavier
zwischen den Absätzen, und wenn ich dann zurück ans Schreiben ging,
hat mich das wieder auf die Spur gebracht.
Booksection.de: Also bevorzugen Sie keines davon?
Maggie Stiefvater: Als ich ein Teenager war sagte man mir immer,
dass ich mich auf eines dieser Dinge konzentrieren müsste, wenn ich darin
wirklich gut sein wollte. Und das stimmte. Erst als ich mich hauptsächlich
auf das Schreiben konzentriert hatte, war ich erfolgreich. Und dann erst kamen
die anderen Dinge praktisch wieder zu mir zurück und wenn man mich für
all das bezahlt, prima. Ich warte nur noch darauf, dass man mich fürs Schlafen
bezahlen würde, das wäre großartig (lacht).
Booksection.de: Ihr erstes Buch wurde im September 2009 in
Deutschland veröffentlicht. Was für ein Gefühl war das für
Sie, dass andere Länder an Ihrem Buch interessiert sind?
Maggie Stiefvater: Das war so seltsam. Mein Buch hat wohl eine
universelle Botschaft, die alle verstehen. Zum Beispiel in der Originalversion
„Shiver“ steht als Widmung. „Für Kate, weil sie weinte“.
Kate ist meine Schwester und sie weinte tatsächlich, als sie es gelesen
hatte. Interessant war dann aber, dass die Japaner damit Schwierigkeiten hatten
dieses „sie“ zu übersetzen. Sie mussten von mir wissen, ob
meine Schwester älter oder jünger ist, weil das Wort „sie“
dann in Japanisch, je nachdem wie alt meine Schwester ist, eine andere Übersetzung
hat. Und ich dachte „Oh, wenn die schon Probleme damit haben, das Wort
„sie“ zu übersetzen, wie universell muss dann mein Buch sein,
dass es in 32 Sprachen übersetzt werden kann.“
Booksection.de: Erhalten Sie auch Reaktionen aus anderen Ländern?
Maggie Stiefvater: Ja, auf jeden Fall. Manchmal schreiben diese
Leute aber in solch einem für mich unverständlichen Englisch, dass
ich es nicht wirklich verstehe und ich schreibe immer „danke schön,
danke schön“ zurück in der Hoffnung, dass es eine positive Kritik
war (lacht). Es gibt etwas, was in Bezug darauf interessant ist: Ich habe sehr
viele männliche Leser und in Amerika gehen die Jungs sehr schüchtern
damit um, dass sie Romanzen lesen, aber zum Beispiel die italienischen Jungs
sind da sehr leidenschaftlich …
Booksection.de: Also sind die Reaktionen ganz anders als bei
denen aus den USA?
Maggie Stiefvater: Ja! Die Jungen aus den USA geben erst mal
nicht gerne zu, dass sie das Buch mochten, die aus Italien haben gar keine Probleme
damit.
Booksection.de: Eine Liebesgeschichte zwischen einem Wolf
und einem Mädchen zu schreiben scheint doch ziemlich schwierig oder?
Maggie Stiefvater: Besonders am Anfang, wenn man eine Beziehung
zwischen den beiden herstellen muss, ist das wirklich schwierig. All die Jahre,
in denen die Protagonistin schon glauben musste, dass er mehr als nur ein Wolf
war, das war nicht einfach darzustellen. Es war ja so, dass sie etwas von einem
Wolf in sich hatte, weil sie einmal gebissen wurde und er wiederum hatte etwas
Menschliches in sich. Er war also sehr menschlich und sie sehr wolfsähnlich.
So war das doch etwas einfacher darzustellen, als wenn sie als Mädchen
einfach nur gesagt hätte: „Ich liebe diesen Wolf“. Das wäre
wirklich gruselig. Die schlimmsten Kapitel zum Schreiben waren die, in denen
ich von der Warte des Wolfes aus geschrieben habe. Dinge, die für mich
als Schriftsteller selbstverständlich sind, kann ich dann so nicht schreiben.
Zum Beispiel kann ein Wolf nicht denken: „Oh, ich warte hier schon seit
vielen Minuten“. Woher soll er wissen, was Minuten sind oder was eine
bestimmte Entfernung in Metern ist? Dinge wie diese waren wirklich sehr schwierig
(lacht).
Booksection.de: Was hat sie zu diesem Buch inspiriert?
Maggie Stiefvater: Also eigentlich mag ich Werwölfe nicht.
Sie sind gruselig, sabbern und greifen Menschen an, aber worüber ich gerne
nachdenke, sind Dinge wie die eigene Identität oder das Sich-Verlieren.
Angefangen habe ich damit, weil ich an einem Wettbewerb für Kurzgeschichten
teilnehmen wollte und der einzige Wettbewerb für junge Erwachsene, den
ich finden konnte, hatte das Thema „Werwölfe“ und ich dachte:
„Nein, alles nur nicht Werwölfe, wie soll ich eine Geschichte über
Werwölfe erfinden“ Und ich hasste sie immer noch. Aber in dieser
Nacht hatte ich einen Traum und der handelte ganz einfach von Wölfen in
einem Schneewald. Und als ich aufwachte dachte ich, dass das genau das ist,
was ich tun kann. Einfach Menschen und einfach Wölfe, und die Gefahr begegnet
dem Wolf und geht nicht von ihm aus, das war etwas hinter dem ich stehen konnte,
insbesondere weil ich auch eine Geschichte schreiben wollte, die die Menschen
zum Weinen bringen würde und die dafür sorgt, dass das Make-up der
Frauen verschmiert (lacht). Und diese beiden Themen, Werwolf und Weinen habe
ich miteinander verbunden.
Booksection.de: Momentan sind ja Liebesgeschichten wie diese
sehr beliebt. Hatten Sie keine Angst davor, dass Sie da untergehen könnten?
Maggie Stiefvater: Ich war mir sogar sicher, dass es nicht
veröffentlicht werden würde. Und dann wurde der Traum wahr. Ich konnte
mir zuerst eine Matratze davon kaufen, dann ein Bett und mit einem weiteren
Buch vielleicht bald sogar ein Sofa, so dachte ich. Aber zuerst war ich mir
wirklich sicher, dass niemand dafür bezahlen würde und dass keiner
etwas über Werwölfe lesen wollen würde.
Booksection.de: Aber auf jeden Fall gibt es keine Vampire
Maggie Stiefvater (lacht): Nein, keine Vampire. Ich bin aber
schon öfters gefragt worden, ob ich über Vampire schreiben werde.
Booksection.de: Ihr zweites Buch wird bald in Deutschland
veröffentlicht. Verraten Sie uns ein bisschen, worum es da geht?
Maggie Stiefvater: Während das erste Buch eine bittersüße
Liebesgeschichte ist, geht es im zweiten Buch um die Konsequenzen, die aus dieser
Liebesgeschichte entstehen. Es geht um das „Danach“. Das dritte
Buch ist ja auch schon fertig und ich schreibe bereits an meinem vierten. Das
hat aber nichts mehr mit der Trilogie zu tun. Sam und Chris – ich liebe
Euch sehr, aber jetzt könnt Ihr eine ganze Weile glücklich auf einer
Insel leben, das wäre wirklich großartig (lacht).
Booksection.de: In diesem Sinne herzlichen Dank für
das nette Interview.
Maggie Stiefvater: Ich danke Ihnen auch.
Das Interview wurde durch Kathrin Lang geführt und von Angelika Koch ins Deutsche übersetzt. Veröffentlicht am 11.10.2010