Interview mit...
...Christoph Marzi
...zur
Biographie von Christoph Marzi
"Ich verdanke dem Cover außerordentlich viel!"
Mit Booksection im Gespräch: Fantasyautor Christoph Marzi.
Booksection: Neil Gaiman erschuf eine Stadt unter der Stadt
in seinem Buch „Niemalsland“. In „Lycidas“ verwenden
sie ebenfalls diese Idee. War dieser „Diebstahl“ gewollt?
Christoph Marzi: Ich wollte schon immer etwas über
London und die U-Bahn schreiben. Ich war selbst auch dort und
habe schon vor Jahren
etwas in dieser Richtung ausgearbeitet. Dann bin ich an einem
Bahnhofskiosk auf „Neverwhere“ gestoßen,
das war noch vor der deutschen Übersetzung. Ich habe es
gelesen und gedacht „Shit, das gibt’s schon!“ Daraufhin
hab ich das Konzept dann wieder beiseite gelegt. Einige Zeit
später wollte etwas für meine
Tochter schreiben – etwas über "Elfen
in der Großstadt". Das ist dann irgendwann mit der
anderen Idee, die ich
beiseite gelegt hatte, kollidiert. Ich habe mir natürlich
Gedanken gemacht: „Soll ich es jetzt machen oder soll ich
das Konzept
komplett verwerfen?“ Am Ende habe ich mich dafür entschieden,
die Geschichte zu schreiben, weil sie sich vom Setting, der Sprache
und der Ausarbeitung schon stark von Gaimans Unter-London abhebt.
Außerdem bedient man sich innerhalb des Genres und
das ist auch gewollt. Es lebe die Postmoderne. Die Anspielungen
soll der Leser auch erkennen ... Es sind, über Gaiman hinaus,
auch sehr viele andere Zitate drin, aus „American Werewolf“ oder „Im
Auftrag des Teufels“ beispielsweise. Das sind alles bewusste
Entscheidungen gewesen. Ich freue mich immer, wenn Leser sagen: „Das
hab ich erkannt!“ Um es als „Diebstahl“ zu
bezeichnen, wäre es meiner Meinung nach zu plump. Das ist
hier ja alles sehr offensichtlich. Es sind Zitate
und als solche waren sie immer gemeint.
Booksection: „Lycidas“ ist
2004 erschienen und ihr Debütroman. War die Geschichte von
Anfang an auf 3 Teile ausgelegt?
Christoph Marzi: Es war als längere Geschichte
gedacht. Ich hatte das erste Drittel von „Lycidas“ vorgelegt
und bekam daraufhin den Vertrag. Natürlich war „Lycidas“ der
erste Teil und der Verlag wartete erstmal ab, wie die
Verkaufszahlen aussahen. Irgendwann Ende April 2005 kam dann das
Okay für Teil 2 und Teil 3. Von da an durfte ich die Geschichte
zu einem Ende bringen.
Außerdem, das muss erwähnt werden, bin ich bei Heyne mit
einem Lektorrat beglückt, das auch an „anderen Ideen“ interessiert
ist. Nie hat man zu mir gesagt: „Mach
es bitte komplett anders“. Wenn Änderungen vorgeschlagen
wurden, dann waren das meist nur Kleinigkeiten. Einen Dialog
prägnanter schreiben oder
etwas in dieser Art. Ich bin mit meinem Verlag
mehr als nur zufrieden. Ich hatte bisher nie das Gefühl
in der Produktpolitik gefangen zu sein.
Booksection: Also
mussten Sie nie eine Figur oder die Geschichte komplett verändern,
weil es der Verlag so wollte?
Christoph Marzi: Nein, nie. Bei einer anderen
Geschichte, "Nimmermehr", schlug
mir ein Jugendbuchverlag, dem ich die Story vorgelegt hatte, vor,
ganze Sequenzen aus der Geschichte herauszunehmen. Alles sollte mehr
Action vorweisen.
Und viel länger sein. Nun ja, der Verlag hat die Geschichte
nicht bekommen.
Booksection: Stellen
Sie auch fest, das gerade in der Jugend-Fantasy-Literatur Bücher
verkauft werden, die nicht für Jugendliche gedacht sind?
Christoph Marzi: Klar. Die letzten Harry Potter-Bände
beispielsweise. Ich denke, nach Band 3 hat sich Harry Potter
vom Kinderbuch an sich verabschiedet.Wer auch stark als Kinderbuch-
und Jugendbuchautor
vermarktet wird ist Garth Nix, wobei viele seiner Geschichten
(insbesondere die Bücher um das alte Königkreich) klar
für ältere Jugendliche geschrieben sind.
Booksection: Welche
Möglichkeiten hat man denn als Autor
zu sagen: „Ne, Moment mal, das will ich auf keinen Fall
als Jugendbuch vermarktet haben!“?
Christoph Marzi: Das entscheidet sich mit der Wahl
des Verlages und natürlich mit der Geschichte. Wenn die
Geschichte für Jugendliche gedacht ist, dann wird sie natürlich
auch so vernmarktet. Wenn jetzt aber jemand im Ausland die Rechte
an „Lycidas“ kauft, dann hab ich natürlich überhaupt
keinen Einfluss darauf, welche Vermarktung dort angestrebt
wird. Da kann man dann nur hoffen, dass sich der Verlag richtig entscheidet.
Booksection: Die
Cover der Bücher „Lycidas“, „Lumen“ und „Lilitih“ sind
außerordentlich schön und im Bücherregal
durch die Illustration
auffallend. Wie war das für Sie, Ihre Bücher im Regal
stehen zu sehen?
Christoph Marzi: WOW. Das war einfach nur: WOW.
Ich denke, ich verdanke dem Cover außerordentlich viel.
Wobei die ersten
Coverentwürfe für
„Lycidas“ richtig schlimm waren. Dann gab es einen
sehr schönen Manga-Entwurf, der hat mir sehr gut gefallen,
wurde dann aber in letzter Instanz und 4 Wochen vor Veröffentlichung
verworfen, weil die Händler das nicht toll fanden. Dann
kam das Konzept
mit dem Mond. Ich kann nur sagen, dass ich dem Illustrator Dirk
Schulz vollauf vertraue. Die Cover
für "Nimmermehr" und "Fabula" sind wieder
ganz wunderbar geworden.
Booksection: Sie
gehen ja mir Markus Heitz und Bernhard Hennen auf Lesereisen.
Gleichzeitig bezeichnet man Sie als neue Fantasy-Autoren-Generation.
Ist das untereinander Freundschaft oder Konkurrenz?
Christoph Marzi: Konkurrenz ist das überhaupt
nicht. Jeder sitzt zuhause und schreibt seine Geschichten, denkt
sich Dinge aus und schreibt sie nieder. Das ist alles andere
als Konkurrenz. Als ich damals ganz frisch ins Saarland umgezogen
war, habe ich Markus Heitz für mich entdeckt. Markus war gerade
auf Lesereise und als ich das Plakat bei Thalia gesehen habe, dachte
ich nur:. „Endlich mal jemand in meinem Alter, der neu die
Bildfläche betritt.“ Zu denken: „Warum darf der
das machen und ich nicht?“ wäre mir nie in den Sinn
gekommen. Ich habe die Buchhandlung jedenfalls mit "Ulldart
1" verlassen.
So war das. Seitdem bin ich definitiv
Heitz-Dauerleser.
Booksection: „Fabula“ erscheint ja im Dezember. Hat
mit der ersten Trilogie nichts zu tun?
Christoph Marzi: Nein, das ist was völlig Neues und hat nichts
mit der uralten Metropole zu tun.
Booksection: Auch
wieder auf mehrere Bände angelegt?
Christoph Marzi: Es steht
mal so im
Programmverzeichnis. Ich habe keine Trilogie im herkömmlichen
Sinne geplant. Mir schweben mehr drei einzelne Bücher vor, die
eine gemeinsame Schnittmenge haben. Es wird definitiv keine Trilogie
mit fortlaufender Handlung sein.
Booksection: Worum geht’s?
Christoph Marzi: Es ist die Geschichte von zwei
Brüdern, die
rechtzeitig von Zuhause abgehauen sind, weil die Mutter keine nette
Mutter ist und zudem einige seltsame Dinge tun kann. Es wird also
eine Trilogie über diese Familie werden. In "Fabula"
erzähle ich die Geschichte von Colin Darcy, dem älteren
Bruder, der wieder nach Hause zurückkehren muss, weil Dinge
passiert sind, die ihm keine andere Wahl lassen, als dorthin zurückzukehren.
Das zweite Buch der Trilogie wird sich dann dem Schicksal von Danny
Darcy, Colins Bruder widmen.
Booksection: Wir werden ihn bei Erscheinung lesen! Vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde veröffentlicht am: 11.10.2007