
Buchkritik von Stefanie Rufle
„Nachtlichter“ ist ein Roman, der von Anfang mit in seiner schonungslosen und zutiefst ehrlichen Erzählweise zu beeindrucken weiß. Die britische Autorin Amy Liptrot erzählt hier ihre eigene Lebensgeschichte und lässt den Leser an den dunkelsten und beschämendsten Momenten ihres Lebens teilhaben. Vor allem die Schilderungen ihrer Alkoholexzesse, ihrer Abstürze ins Bodenlose, mit denen sie viele nahe stehende Menschen von sich weggestoßen hat, wecken beim Leser den tiefsten Respekt. Liptrot hat den Mut, ihre dunkelsten Abgründe ganz offen darzulegen und damit zu zeigen, dass es das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels tatsächlich geben kann – wenn wir es wagen, uns mit all unseren Abgründen ganz einfach hinzugeben.
Es sind die bewegenden Schilderungen aus Liptrots Kindheit, mit einem Vater an der Seite, der an einer bipolaren Störung leidet, die tiefes Verständnis für ihre späteren Abstürze wecken. Wenn die Autorin vom Entzug berichtet, von ihrem langen Aufenthalt in einer Klinik, bekommt man eine Ahnung davon, was es wirklich bedeuten muss, an einer Suchterkrankung zu leiden. Liptrots Schilderungen sind zutiefst authentisch und dabei aber kein bisschen rührselig. Ganz und gar sachlich erzählt sie von ihren dunkelsten Momenten, von der Scham und dem Selbstekel und von dem Moment, der alles verändern sollte. Die Rückkehr nach Orkney berührt den Leser tief und lässt in ihm ein Bild dieser unberührten Landschaft entstehen, der die Seele ganz tief erreicht. Wenn Amy Liptrot von ihren Erfahrungen auf dieser sturmumtosten Insel berichtet, wird einem klar, dass dieser Ort tatsächlich Heilung bedeuten kann. „Nachtlichter“ ist ein fesselnder und bewegender Roman, der ein Tabuthema auf äußerst beeindruckende und berührende Weise behandelt.