Interview mit...
...Andreas Eschbach
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Buchkritik von "Ausgebrannt"
"Im Grunde genommen muss es irgendwann so kommen, die Frage ist allenfalls, wann."
Mit Booksection im Gespräch: Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach.
Booksection: Ihr
neues Buch "Ausgebrannt", das Sie hier auf der Messe vorstellen, hat
uns ausnehmend gut gefallen. Es behandelt ein sehr heikles Thema und zeichnet
gleichzeitig ein Horrorszenario. Das Ende des Erdölzeitalters ist gekommen,
das größte Ölfeld in Saudi-Arabien steht in Flammen. Kamen nach
Erscheinen des Buches Repressalien auf Sie zu?
Andreas
Eschbach: Sie meinen, dass die Ölindustrie mir irgendwelche
Agenten auf den Hals hetzt? Nein, das nicht.
Booksection: Obwohl
das Szenario ein denkbar düsteres ist, ist es doch nicht von
der Hand zu weisen, das dieser so genannte "Peak Oil" tatsächlich
in nächster Zeit geschehen könnte. Eigentlich sind Sie
ja Science Fiction-Autor, doch das Thema dieses Buches ist ein sehr
reales.
Andreas
Eschbach: Das eine widerspricht dem anderen nicht. Nehmen
Sie einmal das Wort Science Fiction auseinander: Science heißt
Wissenschaft, Fiction heißt Fiktion. Jeder Roman stellt ja
die Frage "Was wäre wenn?" - wenn das auf einer wissenschaftlichen
Annahme basiert und daraus eine Fiktion gesponnen wird, ist es ein
Science Fiction-Roman. Nicht ob Aliens oder Raumschiffe vorkommen
ist also das Kriterium, sondern ob eine wissenschaftliche Frage durchgespielt
wird. Wir haben es hier mit einem Science Fiction-Roman zu tun, weil
er die wissenschaftliche Annahme durchspielt, dass das Öl irgendwann
ausgeht. Und diese Annahme ist ja nun nicht von der Hand zu weisen;
im Grunde genommen muss es irgendwann so kommen, die Frage ist allenfalls,
wann.
Selbst die Zuspitzung, die der Roman sich gestattet, ist nicht unwahrscheinlich.
Im schlimmsten Fall wäre das alles möglich, es ist bestürzend
wenig daran erfunden. Gehen Sie davon aus, dass Sie das Ende des Ölzeitalters
noch erleben werden; das wird noch zu unseren Lebzeiten passieren.
Das kann eine weiche Landung werden, wenn man die Wirtschaft rechtzeitig
entsprechend umstellt, es kann aber auch eine harte Landung werden,
wenn man so tut, als wäre nichts, und einfach alles weiterlaufen
lässt. Ich habe in meinem Roman einfach die richtig harte Variante
gewählt.
Booksection:Das
Buch wirkt sehr gut recherchiert. Woher holen Sie sich die Informationen
für einen Roman?
Andreas
Eschbach: Das war in dem Fall ganz einfach. Es gibt unglaublich
viele Bücher zu diesem Thema - es hat mich verblüfft, wie
viele Informationen tatsächlich da sind. Geben Sie "Peak
Oil" bei einer Suchmaschine ein und Sie haben mehr Stoff, als
Sie für zehn Romane brauchen. Es ist alles da, wir gucken nur
nicht hin. Auch ich hatte schon jede Menge Material; die Hälfte
von dem, was ich gebraucht habe, stand schon in meinem Bücherschrank.
Ich hatte nur die Linien zwischen den Punkten noch nicht gezogen;
es war noch kein Gesamtbild da. Als ich es dann gemacht habe, war
das schon erstmal erschreckend. Es ist eindeutig ein Verdrängungsproblem,
was wir haben. Und warum verdrängen wir es? Weil keiner einen
Plan B hat.
Booksection: Das
Problem ist auch, dass wir auf vieles gar nicht verzichten wollen.
Beim Lesen wurde mir bewusst, wie viele kleine Gebrauchsgegenstände
aus Erdöl gewonnen werden - Dinge, die uns gar nicht bewusst
sind. Eine frappierende Erkenntnis, die man aus ihrem Buch gewinnen
kann.
Kann man sagen, dass dieses Thema Sie schon im Vorfeld sehr stark
beschäftig hat? Eine solche Idee muss ja auch wachsen, bevor
man ein Buch darüber schreiben kann.
Andreas
Eschbach: Naja, das Thema Zukunft interessiert mich generell,
das war schon immer so. Ich habe ja vor einigen Jahren dieses "Buch
von der Zukunft" geschrieben, das bei Rowohlt erschienen ist.
Dem lag die Frage zugrunde: "Worauf würde ich denn wetten?
Was denke ich, was faktisch auf uns zukommt?" Ich habe versucht,
das zu durchleuchten, was ein Zusammenstellen von Dingen war, unter
anderem zum Thema Energie, bei dem mir klar geworden ist, dass das
viel brandheisser ist, als uns klar ist. Auch ansonsten könnte
dieses Buch der Auslöser für die zehn nächsten Bücher
sein, die ich schreibe. In ihm stehen meine nächsten Romane
praktisch schon drin.
Booksection: Stimmt
es, dass Sie schon mit zwölf Jahren angefangen haben zu schreiben?
Andreas
Eschbach:Eigentlich schon vorher, aber mit zwölf habe
ich angefangen, auf der Schreibmaschine zu schreiben.
Booksection:Sie
hatten also schon immer diese Geschichten im Kopf, Dinge, die Sie
unbedingt erzählen wollten?
Andreas
Eschbach: Ich bin der Überzeugung, dass jeder, der
etwas tut, woran sein Herz hängt, das schon mit zwölf Jahren
macht - das ist das magische Alter. Dieses grenzüberschreitende
Denken hat man nur als Kind. Als Erwachsener hält man viele
Dinge einfach nicht mehr für möglich.
Booksection: Wie
kann man sich als Schriftsteller dieses magische Denken erhalten?
Andreas
Eschbach: Keine Ahnung. Wahrscheinlich muss man es vermeiden,
erwachsen zu werden! (lacht)
Booksection: Gleich
für Ihr erstes Buch haben Sie den Science Fiction-Preis bekommen.
Was ist es für ein Gefühl, gleich für sein Erstlingswerk
einen solch wichtigen Preis zu erhalten?
Andreas
Eschbach: Es war so, dass ich gar nicht wusste, dass es
diesen Preis überhaupt gibt. Ich war eher verblüfft, von
diesem Preis zu hören, und deshalb kann ich auch nicht sagen,
dass da für mich ein Wunschtraum in Erfüllung ging. Wenn
man von etwas nichts weiß, kann man es sich ja auch nicht wünschen,
nicht wahr? Wichtig war es natürlich für mich deshalb,
weil ich ja wollte, dass mehr Leute meine Bücher lesen. Als
Autor wünscht man sich, dass jeder die Bücher lesen soll,
die man schreibt.
Booksection: Sie
haben einen gut bezahlten Job aufgegeben, um freier Schriftsteller
zu werden. Gehört nicht unglaublich viel Mut zu einer solchen
Entscheidung, denn schließlich weiß man ja nicht, ob
man nun tatsächlich davon leben kann.
Andreas
Eschbach: Ja, das weiß man auch nicht, es ist eigentlich
eher davon abzuraten. Bei mir ging es in zwei Stufen. Ich hatte eine
Zeit lang eine Firma und habe da gemerkt, dass das nicht geht - man
kann nicht eine GmbH führen und gleichzeitig Romane veröffentlichen,
das schafft böses Blut. Die Mitarbeiter haben das Gefühl,
sie bringen vollen Einsatz, während einer der Chefs Zeit hat,
Romane zu schreiben. Da kommt die Frage auf, ob der nicht ausgelastet
ist. Also hatte ich die Wahl. Wenn ich mit der Firma hätte weitermachen
wollen, hätte ich aufhören müssen zu schreiben - und
das kam nicht in Frage. Also habe ich mich aus dieser Selbständigkeit
heraus noch selbständiger gemacht, indem ich meine Anteile an
die anderen Gesellschafter verkauft habe und als Einzelprogrammierer
weitergemacht habe. Das lief ganz gut, und irgendwann gab es einen
gleitenden Übergang, einfach weil es mehr zu schreiben gab und
gleichzeitig die Aufträge im EDV-Bereich zurückgingen.
Es war also nicht so, dass ich gesagt habe: "Ich treffe jetzt
die Entscheidung und bin ganz mutig." Es ging ineinander über,
war eher ein Hineinwachsen. Es ist übrigens auch etwas, an das
man sich erstmal gewöhnen muss: Jeden Tag zu Hause zu sein und "nur" zu
schreiben. Das ist am Anfang auch nicht ganz einfach.
Booksection: Haben
Sie einen bestimmten Tages- oder Wochenplan, nach dem Sie Ihr Schreibpensum
ausrichten?
Andreas
Eschbach:Nein, das ist eher ein Setzen von Etappenzielen,
etwa: Am Ende der Woche muss Kapitel fünf stehen. Der Schriftsteller
plant langfristig, in Absprache mit dem Verlag. Man sagt sich aus,
2003 muss der Roman fertig sein, 2005 der, und so weiter.
Booksection: Ist
eher ein Druck da, wenn man fest für einen Verlag schreibt,
der ja gewisse Erwartungen hat und darauf drängt, dass ein Buch
fertig gestellt wird? Ist das ein anderes Gefühl, als einfach
so ein Buch zu schreiben, bei dem niemand auf die Fertigstellung
wartet?
Andreas
Eschbach:Ja, es ist anders. Diese Situation, dass man still
und leise zu Hause sitzt und so vor sich hinschreibt, die hat man
nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn man bei einem Verlag ist,
hat man die nicht mehr, dann ist man eingebunden in einen Prozess.
Aber ich finde es nicht unangenehm. Ich habe so lange Zeit Romane
geschrieben, ohne dass es irgendjemanden interessiert hat, was ich
eigentlich mache, dass ich es eher belebend finde, dass da jemand
auf meinen nächsten Roman wartet. Bedrückend fände
ich eher den Gedanken, ich schreibe und niemanden interessiert es.
Booksection: Diese
Zeiten sind vorbei, oder?
Andreas
Eschbach:Scheint so, ja.
Booksection: Ist
es so, dass Sie sich mit Ihren Hauptfiguren identifizieren, dass
Sie in dem Moment, in dem Sie schreiben auch diese Person selber
sind?
Andreas
Eschbach:(überlegt lange) In gewisser Weise stimmt
das schon. In gewisser Weise ist man alle Figuren und insbesondere
die Helden, beide Seiten des Liebespaares usw. Ich glaube, man kann
das sagen; ich würde das auch so sagen, aber ich glaube, dass
das einen falschen Eindruck erzeugt bei Leuten, die nicht schreiben.
So etwas ist ganz schwierig zu vermitteln.
Booksection: In
vielen Ihrer Büchern ist der Held der Alleinkämpfer, der
gegen eine übergroße Macht antreten muss, die ihm um Längen überlegen
zu sein scheint. Ist das ein Thema, mit dem Sie sich stark identifizieren,
was Sie besonders beschäftigt?
Andreas
Eschbach:Das ist nicht meine spezielle Erfindung, so etwas
findet sich in Geschichten relativ häufig. Es dient zunächst
der Zuspitzung des Konflikts. Es ist für eine Geschichte uninteressant,
wenn der Held einfach sagen könnte: "Ach, jetzt stinkts
mir, jetzt geh ich einfach heim." Das darf er schon mal nicht.
Es ist auch uninteressant, wenn ihm starke Freunde aus der Patsche
helfen und er selber nichts dazu beitragen muss. Dieses Heldentum
hat etwas zu tun mit der Art und Weise, wie wir unser Leben meistern.
Was wir daraus mitnehmen, ist die Erkenntnis: Wenn man sich der Gefahr
stellt - und vielleicht auch noch ein bisschen Glück hat -,
dann kommt man auch wieder raus aus dem Schlamassel. Das ist es,
was man als Leser will.
Booksection: Was
ja auch das Prinzip der Märchen ist. Das Gute siegt, das Böse
verliert und dadurch tut sich für uns eine Sicherheit auf.
Andreas
Eschbach: Eine Sicherheit und aber auch ein Verhaltensmuster.
Man lernt aus einer solchen Geschichte, was aber unbewusst passiert.
Wir lernen von den Helden einer Geschichte, ohne dass wir uns dessen
bewusst sind.
Booksection: Ihr
Roman "Das Jesus Video" wurde ja verfilmt. Wie ist es,
wenn man seine Figuren plötzlich im Fernsehen sieht und wie
ist man als Autor mit der Umsetzung seines Stoffs zufrieden? Oder
haben Sie selber das Drehbuch geschrieben?
Andreas
Eschbach:Nein, man hat eigentlich nur den Titel genommen
und ein wenig von der Grundidee und eine völlig andere Geschichte
daraus gemacht. Deswegen möchte ich auch nicht von einer Verfilmung
sprechen, sondern von einem Film, der den gleichen Titel trägt
und eine völlig andere Geschichte erzählt und dazu auch
noch eine ziemlich unlogische.
Booksection: Hat
dieser Film also mit Ihnen gar nichts zu tun?
Andreas
Eschbach:Also, ich habe mich schon gefragt, warum jemand
für die Rechte so viel Geld bezahlt, wenn er dann doch alles
ganz anders macht. Dann hätte man es eigentlich auch lassen
können. Es war allerdings eine besondere Situation, weil die
Macher unter großem Erfolgsdruck standen. Der Stoff ist nämlich
nicht so leicht zu verfilmen, wie man annehmen könnte, wenn
man das Buch liest. Man hätte gewisse künstlerische Risiken
eingehen müssen, um gewisse Dinge darzustellen - stattdessen
hat man sie lieber weggelassen. Irgendwie war es aber auch fast
rührend, als ich mich mit den Schauspielern unterhalten habe,
von deren Engagement gehört habe. Das ganze Team ist zum Beispiel
während der Dreharbeiten krank geworden. Einige Szenen wurden
ja in der Wüste von Marokko gedreht, da strahlt die Sonne
runter und man denkt, es ist sengend heiß - tatsächlich
herrschten aber fünf Grad unter Null! Man musste aus den Filmaufnahmen
die Atemwolken wegretuschieren! An dem Film ist ziemlich viel ziemlich
gut, die Schauspieler sind eigentlich nicht schlecht, die Musik
ist sehr gut. Der Film wirkt ziemlich teuer, dafür, dass die
nur ein so kleines Budget hatten. Mit diesem Budget hätte
man keinen "Tatort" drehen können. Aber die Story,
das Drehbuch... Der Drehbuchautor war übrigens ganz nervös,
als er mich getroffen hat; er hat wahrscheinlich gedacht, ich geh
ihm an die Gurgel.
Booksection: Sie
haben auf Ihrer Homepage jede Menge Tipps für Menschen, die
zum ersten Mal ein Buch schreiben wollen. Außerdem haben Sie
bei einem Schreibseminar mitgewirkt. Ist es ein besonderes Anliegen
für Sie, Schreibneulingen eine Art Starthilfe zu geben?
Andreas
Eschbach:Was die Schreibseminare in Wolfenbüttel anbelangt,
werde ich keine mehr machen, weil ich zunehmend das Gefühl entwickelt
habe, dass das nicht das ist, was Schriftsteller brauchen. Man sitzt
zusammen und redet über das Schreiben, aber Zeit, in der man
darüber redet, ist Zeit, in der man es nicht tut. Diese Seite
auf meiner Homepage war eine Art Erste-Hilfe-Maßnahme für
mich selber, weil mir immer die gleichen Fragen gestellt wurden.
Es kam mir unhöflich vor, diese Fragen zu ignorieren, deshalb
hab ich sie mitsamt meiner Antworten auf die Website gestellt, damit
sie für alle beantwortet waren. Ich dachte, damit ebbt das Ganze
ab, tatsächlich hat es aber dazu geführt, dass mir jetzt
eben andere Fragen gestellt werden... (lacht)
Es steckt insgesamt weniger Altruistisches dahinter, als alle denken,
aber das will irgendwie keiner hören, obwohl ich es immer erzähle.
Zu Anfang meiner Karriere habe ich beispielsweise viele Mails bekommen,
in denen mir jemand schrieb, er habe mein Buch eigentlich nicht kaufen
wollen, weil mein deutscher Name ihn abgeschreckt hat. Das Problem
ist also nicht, dass ich so viele Kollegen hätte, die mir die
Butter vom Brot nehmen, als vielmehr, dass man deutschen Autoren
wenig zutraut. Es würde mir also, umgekehrt, zugute kommen,
wenn es mehr gute deutsche Autoren gäbe!
Es ist auch keineswegs so, dass ich jemandem zum Schreiben bekehren
will, im Gegenteil, ich will auch Leute vom Schreiben abhalten. Es
hat sich so ein eigenartiges Denkmuster breit gemacht, dass mittlerweile
jeder denkt, er müsse ein Buch schreiben. So nach dem Motto,
man muss ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen....
und ein Buch schreiben. Nichts von all dem muss man! Man muss nach
dem suchen, was das richtige für einen ist - und man kann nicht
alles machen.
Booksection: Was
halten Sie von der Unterscheidung von ernstzunehmender Literatur
und Mainstream-Literatur, zu der ja auch Science Fiction zählt?
Andreas
Eschbach: Das wird Sie jetzt überraschen, aber ich
finde diese Unterscheidung sinnvoll. Es gibt Trivialliteratur, die
altbekanntes aufkocht, wo nichts Neues oder Originelles mit dabei
ist. Es gibt die U-Literatur, also die Unterhaltungsliteratur und
die E-Literatur, die ernste Literatur. Der Unterschied zwischen beiden
ist, dass die E-Literatur versucht, Neuland in der Sprache zu erschließen.
Der Autor ringt sozusagen mit der Sprache und der Leser darf ihm
dabei zuschauen. Der U-Literat hingegen zielt auf den Leser. Ich
benutze quasi Methoden, die irgendwann einmal in der E-Literatur
entwickelt worden sind. Damit will ich den Leser vereinfacht gesagt
packen und ihn nicht mehr loslassen bis zur letzten Seite. Aber das
ist nicht dasselbe. Der eine zielt auf den Leser ab und der andere
lässt den Leser teilhaben an einem Versuch. Insofern finde ich
die Unterscheidung gerechtfertigt, wobei es in beiden Bereichen natürlich
Lug und Trug gibt.
Booksection: Herr Eschbach, vielen Dank für das Interview!
Das Interview wurde veröffentlicht am: 11.10.2007