
Buchkritik von Stefanie Rufle
„Trümmerkind“ ist einer jener vielen Romane, die sich dieser Tage mit der Kriegsvergangenheit unserer Eltern und Großeltern – und damit mit einem wichtigen Teil unserer eigenen Geschichte – beschäftigt. Mechthild Borrmann erzählt hier eine zutiefst bewegende und durch und durch authentische Geschichte auf äußerst eindringliche und einfühlsame Weise. Beeindruckend ist vor allem, mit welcher Leichtigkeit es ihr gelingt, dabei den Zusammenhang zwischen den Verdrängungsmechanismen der Eltern und Großeltern und den seelischen Wunden derer Kinder und Enkelkinder herzustellen. Es ist ein beinahe magischer Moment, als Anna erkennt, dass der schwarze Hund der Angst, der sie ihr ganzes Leben lang begleitet, gar nicht zu ihr selbst, sondern vielmehr zu ihrer Mutter gehört. Diese Schlüsselszene ist so etwas wie die Essenz dieses Romans, die stille und so einfache Erkenntnis, die dieser Geschichte zugrunde liegt: Erst wenn es uns gelingt, die Traumata unserer Vorfahren zu erkennen, kann es uns möglich werden, Ängste, die gar nicht zu uns, sondern vielmehr zu ihnen gehören, endlich loszulassen.
Neben diesen wichtigen und essentiellen Erkenntnissen bietet „Trümmerkind“ aber auch einen hoch spannenden Kriminalfall, der uns in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt und bis zum Schluss für Gänsehaut sorgt. Zudem bietet Mechthild Borrmann einen bewegenden und erschütternden Einblick in die harten Nachkriegsjahre, die vor allem von Hunger, Kälte und knallhartem Überlebenskampf geprägt waren. „Trümmerkind“ ist ein äußerst vielschichtiger und facettenreicher Roman, der uns und unsere Vergangenheit ganz unmittelbar berührt und noch sehr lange nachhallt.